Vladimir Nabokov

NABOKV-L post 0005476, Fri, 15 Sep 2000 10:57:16 -0700

Subject
VN & crossword puzzles
Date
Body
Hello from Germany!

The Neue Zuercher Zeitung published an article by Felix Ingold on Nabokov
and Crosswords, september 14
this article is online for a short time, they have an online archive,
covering the last 30 days

the URl is: http://archiv.nzz.ch/books/nzzmonat/0/$6PBY8$T.html

I downloaded the article in PDF and send it to you enclosed, it is not so
big attachment

have a good day,

Connie Mueller-Goedecke in Hamburg
http://www.avantart.com



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Freitag, 15. September 2000
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NZZ Monatsarchiv
Neue ZĂĽrcher Zeitung FEUILLETON Donnerstag, 14.09.2000 Nr.214 65

Gekreuzte Wörter
Nabokov als Verfasser von «crosswords»
Dass Vladimir Nabokov schon als Kind Schach gespielt, seit seiner
Studienzeit auch Schachprobleme «komponiert» und publiziert hat, ist
allgemein bekannt - eine Sammlung solcher Probleme findet sich, ergänzt
durch die zugehörigen Lösungen, in einem seiner letzten Bücher («Poems and
Problems», 1970). Weitgehend unbekannt war bislang die Tatsache, dass es von
Nabokov ausserdem Kreuzworträtsel in grosser Zahl gibt, und mehr als dies -
es gibt ein von ihm geprägtes russisches Wort für dieses kombinatorische
Lettern- und Ratespiel, nämlich den archaisierenden Neologismus
«krestoslovica» (aus «krest» für Kreuz und «slovo» für Wort), durch das er
um 1925 das im Russischen bereits eingebürgerte Fremdwort «krossvord»
ersetzen wollte.

Das Kreuzworträtsel in seiner heutigen Form gibt es, sieht man von diversen
rudimentären Vorstufen ab, seit 1913. Damals wurde in «The New York Times»
ein erstes crossword (auch die Bezeichnung war neu) mit 32 Fragen
abgedruckt. In einer ihrer jĂĽngsten Ausgaben nimmt sich die Moskauer
Tageszeitung «Iswestija» der Rezeptionsgeschichte des Kreuzworträtsels in
Russland an. Bis vor kurzem galt als gesichert, dass das erste in russischer
Sprache konzipierte Kreuzworträtsel 1929 in der populären sowjetischen
Zeitschrift «Ogonjok» als krossvord veröffentlicht worden ist. Da es sich
beim Kreuzworträtsel um eine Erfindung aus dem kapitalistischen Westen
handelte, musste dessen Import im kommunistischen Arbeiter- und Bauernstaat
ideologisch gerechtfertigt werden. Die Beschäftigung mit Kreuzworträtseln
galt fortan als «untadeliges» proletarisches Tun. «Die Kapitalisten», so
hiess es demgegenüber im redaktionellen Vorspann, «ziehen es vor, bei Bridge
und Foxtrott zu degenerieren, und überlassen das Kreuzworträtsel der
werktätigen Bevölkerung.» - Inzwischen haben neue Recherchen eines
russischen Kreuzworträtselklubs ergeben, dass schon drei Jahre vor der
angeblichen Premiere in «Ogonjok» mehrere crosswords (die jetzt konsequent
als krestoslovica bezeichnet werden) im Leningrader Magazin «Die Welt der
Abenteuer» erschienen sind. Noch frühere Belege werden vermutlich folgen.

Dass sich Nabokov in seiner Berliner Exilzeit nicht nur als Tennis- und
Sprachlehrer, sondern auch als Verfasser von Kreuzworträtseln (für die von
seinem Vater gegründete Tageszeitung «Rul») ein Zubrot verdient hat, dürfte
auf sein ausgeprägtes Interesse an Buchstaben- und Wortspielen
zurĂĽckzufĂĽhren sein - man weiss ja, welch eminente Bedeutung in seinem
lyrischen und erzählerischen Werk etwa dem Anagramm, dem Palindrom, dem
Kalauer, der Homophonie und ähnlichen Schrift- beziehungsweise
Klangphänomenen zukommt, man erinnere sich bloss an einen Werktitel wie «The
Eye», der auch das «Ich» (englisch I) des Erzählers und darüber hinaus das
russische Wort «oko» (Auge) mit einschliesst, welch letzteres wiederum einen
Teil des Verfassernamens (Nab-oko-v) bildet . . .

Wenn Nabokov als Autor von Schachaufgaben Qualitäten wie Erfindungsgeist und
Präzision, Komplexität und Harmonie zur Geltung bringt, tut er dies - toute
proportion gardée! - wohl auch bei der Abfassung von Kreuzworträtseln, einer
Beschäftigung, der er im Übrigen, nicht anders als dem Schach, höchste
«extravagante Sterilität» bescheinigt. Und dies ist in seinem Verständnis
keineswegs ein Mangel, vielmehr entspricht es dem, was er stets von aller
Kunst gefordert hat, dass sie nämlich «ohne jeden Nutzen» sei und also, in
ihrer Nutzlosigkeit, göttlich - zumindest im Vergleich mit «einer Vielzahl
von weit beliebteren menschlichen Strebungen».

Felix Philipp Ingold

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