Solo für NabokovDas Frankfurter Literaturhaus zeigt den Dichter, wie der Fotograf Horst Tappe ihn sahFrankfurt/M. - Vladimir Nabokov war bereits
Mitte Fünfzig als er auf einen Schlag weltberühmt wurde. Dreißig Jahre
lang hatte er nahezu im Verborgenen gelebt, hatte Dutzende von Erzählungen
publiziert und etliche Romane, doch nur ein winziges Publikum gefunden.
Während seiner langen Emigrationszeit in Berlin und Paris verdiente er
fast nichts und konnte seinen Lebensunterhalt kaum bestreiten. Seine Frau
Vera hielt die Familie als Fremdsprachensekretärin über Wasser, und erst
in Amerika fand Nabokov mit über vierzig Jahren eine Stelle als Lehrer an
einem kleinen College. Als er 1955 seinen Roman „Lolita“ veröffentlichte, war mit einem Mal
alles anders: Die Verleger, die Leser, die Journalisten rissen sich um
ihn. Er wurde innerhalb kürzester Zeit ein reicher Mann und ein
Medienstar. Dieter E. Zimmer, Nabokovs deutscher Übersetzer und Editor, hat jetzt
bei der Eröffnung der ersten deutschen Ausstellung der hinreißenden
Nabokov-Fotos von Horst Tappe im Frankfurter Literaturhaus berichtet, wie
dieser Schriftsteller mit seinem plötzlichen Popularität fertig wurde.
Nabokov begriff schnell, dass er sich und seine „Lolita“ dem
trivialisierenden Zugriff der öffentlichen Sensationslust nie würde
entziehen können, und er wollte nach den langen Jahren des Lebens im
Abseits und in Armut die Vorteile des Ruhms auch durchaus genießen.
Also wählte er wie ein Schauspieler ein Rollenfach, das des
„schwierigen Alten“, und ließ sich in dieser Maske fortan von den Medien
präsentieren. Denn seine mit großem Vergnügen entwickelten und gepflegten
Schrullen gaben ihm von nun an die Möglichkeit, die Bedingungen, zu denen
er sich mit Journalisten traf oder sich von ihnen interviewen ließ, nach
seinen Vorstellungen zu diktieren. Dass Nabokov hinter dieser Maske ein ungewöhnlich aufmerksamer und
liebenswürdiger Mensch gewesen ist, bestätigen nicht nur die Erinnerungen
des Fotografen Horst Tappe, sondern auch seine Bilder. Tappe hatte Nabokov
1961 in dem Hotel im schweizerischen Montreux kennen gelernt, in dem
Nabokov bis zu seinem Tod 1977 lebte. Durch seine ungemein einfühlsame
Arbeit gewann Tappe rasch das Vertrauen des zurückhaltenden
Schriftstellers und durfte ihn nicht nur bei Ausflügen zur
Schmetterlingsjagd begleiten, sondern sogar am Arbeitsplatz, dem intimsten
Ort, fotografieren. Entstanden sind so einige der schönsten und inzwischen bekanntesten
Porträts Nabokovs. Sie werden jetzt zum ersten Mal als Serie in
Deutschland gezeigt. Sie zeigen ihn mal in seiner die Öffentlichkeit
abweisenden Maske, manchmal in ganz gelöster Flaneur-Haltung, manchmal
aber auch verletzlich und erschöpft von der Arbeit. „Ich mag ihn nicht, diesen Vladimir Nabokov, aber ich schätze seine
Bücher“, sagte Marcel Reich-Ranicki in seinem zur Ausstellungseröffnung
extemporierten halbstündigen „Solo für Nabokov“. Er sei froh, dem Autor
selbst nie begegnet zu sein, denn Begegnungen mit großen Schriftstellern
seien meist enttäuschend. Tatsächlich kann man sich schwer vorstellen, dass sich dieser Kritiker
und dieser Romancier, die beide für ihre sehr ausgeprägten Ansichten zur
Literatur legendär sind, konfliktfrei hätten verständigen können. Doch an
dem literarischen Rang dieses Schriftstellers, „bei dem kein Vergleich aus
Weltliteratur übertrieben und unangebracht wirkt“, ließ Reich-Ranicki
keinen Zweifel. Wie sehr Nabokov in seinen Schweizer Jahren der Neugier der
Öffentlichkeit ausgesetzt war, mit welcher Gelassenheit er allerdings auch
gelernt hatte, mit dieser Zudringlichkeit umzugehen, belegt eine Anekdote,
die Tappe zur Präsentation seiner Arbeiten erzählte: Nabokov habe abends
in der Bar seines Hotels gern Drinks genommen, und die Bons der Kellner
mit seinem Namen abgezeichnet. Doch die Beträge erschienen dann nie auf
seiner monatlichen Abrechnung, denn die Kellner verkauften die Bons
gleichsam als Autogramm-Karten an amerikanische Touristen. Auf die Frage,
ob ihn dieser Handel mit seinem Namenszug nicht störe, habe sich Nabokov
genüsslich seinem nächsten Drink zugewandt und geantwortet: „No, I play
the game.“ Bis 30. März, täglich außer samstags, 10 bis 19 Uhr. Artikel erschienen am 27. Jan 2003 |
Frankfurt/M. Vladimir Nabokov was center fifty
as it became at one blow world-famous already. Thirty years long it had lived
almost in the hiding, dozens of narrations had published and some novels, but
only a tiny public had found. While its long emigration time in Berlin and Paris
he earned nearly nothing and could its living costs hardly deny. His Mrs. Vera
held the family as a foreign language secretary over water, and only in America
Nabokov found a place also over forty years as a teacher at a small college.
When it published 1955 its novel "Lolita", everything was different with a
mark: The publishers, the readers, the journalists tore themselves around him.
He became within shortest time enriches man and a medium star.
Dieter E. Zimmer, Nabokovs of German translators and editor, has now with the
opening of the first German exhibition of the hinreissenden Nabokov photos of
refuge gropes in Frankfurt literature houses reported, how this writer with its
sudden popularity became finished. Nabokov understood fast that he could never
themselves also quite enjoy and its "Lolita" the trivialisierenden access of the
public sensation desire extract, and he wanted after the long years of the life
in the offside and in poverty the advantages of the fame.
Thus he selected like an actor a role subject, that of the "difficult old
person", and could in this mask from now on by the media be presented. Because
its with large pleasure developed and maintained quirks gave it from now to the
possibility, which conditions, on which it met with journalists or from them
could be interviewen, of dictating after its conceptions.
The fact that Nabokov behind this mask was unusually attentive and kind
humans confirms not only the memories of the photographer Horst gropes, but also
its pictures. Grope Nabokov 1961 in the hotel in Swiss Montreux to know had
learned, in the Nabokov up to his death 1977 lived. By his uncommonly
einfuehlsame work gropes rapidly the confidence of the reserved writer won and
was allowed it not only with trips to the butterfly hunt to accompany, but even
on the job, which most intimate place, to photograph.
Developed so some the most beautiful and in the meantime most well-known
Portraets Nabokovs. They are shown now for the first time as series in Germany.
They show it times in its mask, sometimes in completely solved Flaneur attitude,
rejecting the public, sometimes in addition, in the long run and exhaust from
the work.
"I do not like it, this Vladimir Nabokov, but I estimate its books", said to
Marcel realm Ranicki in its to the exhibition opening extemporierten halfhour
"solo ones for Nabokov". It is glad, the author never meets to be, because
meetings with large writers are usually disappointing.
Actually one can imagine with difficulty that this critic and this Romancier, who are legendary both for their very much minted opinions to the literature could themselves have informed conflict-free. But at the literary rank of this writer, "with no comparison made of world literature and inappropriate work", left realm Ranicki exaggerated no doubt.
How much Nabokov was exposed into its Swiss to years of the curiosity of the
public, with whatever leaving he had however learned to deal with these
Zudringlichkeit occupies an anecdote, which gropes for the presentation of its
work told: Nabokov in the evening took in that bar of its hotel gladly to
drinks, and drew the bons of the waiters with its name. But the amounts then
never appeared on its monthly account, because the waiters sold the bons as it
were as autograph maps to American tourists. On the question, whether this trade
with its signature mark does not disturb it it turned and answered, Nabokov
genuesslich to its next drink: "NO, I play the game."
Until 30 March, daily except Saturday, 10 to 19 o'clock.
Articles appeared on 27 January 2003