EDNOTE. Jeffrey Eugenides is a writer who has not only read VN closely but, if my memory serves, wrote an amusing story about his pursuit of VN around New York. Chedck the NABOKV-L Archive for an exact reference.
----- Original Message -----
From: Sandy P. Klein
Sent: Sunday, May 04, 2003 9:39 PM
Subject: Russen Tolstoi und Nabokov ...

 
DIE WELT online -
 
 
 
 
 
 
 
http://www.welt.de/data/2003/05/05/84338.html
 
Montag, 5. Mai 2003   Berlin, 06:36 Uhr
 
DIE WELT online

"Ich bin eine amerikanische Promenadenmischung"

In dieser Woche erscheint sein Roman "Middlesex": Pulitzer-Preisträger Jeffrey Eugenides und die Vererbungslehre der Literatur

Pulitzer-Preisträger Jeffrey Eugenides  
Pulitzer-Preisträger Jeffrey Eugenides
Foto: AP
 

DIE WELT: Als Michael Chabon vor einem Jahr erfuhr, dass er den Pulitzer Preis bekommen hatte, bestellte er Pizza. Was haben Sie in diesem Jahr getan?

Jeffrey Eugenides: Er muss früher am Tag davon erfahren haben als ich. Bei mir war es halb eins in der Nacht, da war mir nicht nach Pizza. Außerdem hatte mein Verleger Champagner in das Prager Hotel schicken lassen, in dem ich gerade war.

DIE WELT: Lohn einer langen Arbeit. An Ihrem Roman "Middlesex" haben Sie acht Jahre gearbeitet. Haben Sie je befürchtet, Sie könnten scheitern an diesem Riesenprojekt?

Eugenides: Ich habe oft gezweifelt, besonders in den ersten Jahren, als ich nach dem richtigen Ton und der richtigen Erzählstrategie gesucht habe. Anfangs habe ich das Buch ein paar Mal zur Seite gelegt und gedacht: Das kann ich nicht, ich muss ein anderes Buch schreiben oder ein kürzeres aus diesem machen. Aber dann habe ich wieder den Sirenengesang seiner Geschichte gehört.

DIE WELT: War das Buch Ihr Gefängniswärter?

Eugenides: Manchmal mache ich den Witz: Stockholm-Syndrom wie bei Patty Hearst. Aber wenn man acht Jahre an einem Buch arbeitet, ist es offensichtlich nicht das reine Leiden.

DIE WELT: Eine der vielen verblüffenden Ideen in "Midlesex" ist die Art und Weise, wie der Roman Genetik versteht. Genetik erscheint darin als so etwas wie die Körpersprache der Geschichte.

Eugenides: Ich weiß nicht genau, wohin dieses Bild, das sie da gebrauchen, führt, aber ich weiß, dass die Literatur selbst eine ganz eigene Vererbungslehre hat. Mit "Middlesex" wollte ich einigen alten Pfaden des Erzählens folgen, um schließlich in einem Roman des 21. Jahrhunderts anzukommen. So wie unsere Körper genetisches Material enthalten, das zurückreicht bis zu unseren prähistorischen Vorfahren, enthält "Middlesex" das genetische Material der großen antiken Epen: Homer, Vergil, Ovid.

DIE WELT: Aus welchem Genpool kommt denn der Schriftsteller Jeffrey Eugenides?

Eugenides: Sowohl der Schriftsteller als auch der Mensch Jeffrey Eugenides ist eine Promenadenmischung. Er trägt Elemente vieler verschiedener Kulturen und Länder in sich. Die klassischen Autoren der Antike haben mich ebenso beeinflusst wie die großen Russen Tolstoi und Nabokov, die großen jüdischen Autoren Amerikas, Saul Bellow und Philip Roth, und dann steckt möglicherweise auch ein bisschen Henry James mit drin und Salman Rushdie. Ich bin wirklich eine amerikanische Promenadenmischung.

DIE WELT: Warum erwähnen Sie Laurence Sterne nicht? "Middlesex" erscheint mir wie ein "Tristram Shandy" für das 21. Jahrhundert.

Eugenides: Sie haben völlig Recht: "Tristram Shandy" hat mich beeinflusst. Ich liebe die Verspieltheit dieses Romans, ein Lieblingsbuch vieler postmoderner Autoren, die ich bewundere.

DIE WELT: "Middlesex" ist streckenweise ein sehr komischer Roman. Überhaupt spielt Humor eine große Rolle nicht nur für Sie, sondern auch für Ihre Kollegen David Foster Wallace und Jonathan Franzen. Warum?

Eugenides: Ich glaube kaum, dass ein Buch, das so viele Facetten menschlicher Erfahrung zeigen will, das Komische vernachlässigen kann. Es gibt viel Tragisches in "Middlesex", und manche Teile des Romans sind sehr traurig. Ich kann der Tragik leichter begegnen, wenn befreiende Komik sie einrahmt.

DIE WELT: Milton Stephanides, die Vaterfigur in "Middlesex", stirbt bei einem Unfall und glaubt im letzten Moment, sein Cadillac würde fliegen

Eugenides: Mein Vater starb beim Absturz eines Privatflugzeugs, und diese Episode des Romans war meine Art, seinen Tod zu mythologisieren. Es ist eine der am deutlichsten autobiografischen Passagen des Buches und eine der schmerzhaftesten. Von einem persönlichen Standpunkt aus betrachtet, war es aber auch eine der befreiendsten, während ich schrieb.

DIE WELT: Sie leben in Berlin. Aber Sie hegen Umzugspläne?

Eugenides: Immer wenn es Sommer wird, glauben meine Frau und ich, in die Vereinigten Staaten zurück zu müssen. Unsere Familien sind so weit weg, unsere Tochter lebt so weit entfernt von ihren Cousins und Cousinen. Aber wenn der Sommer zu Ende geht, bleiben wir dann doch. Auch in diesem Jahr wollen wir umziehen, aber es würde mich nicht wundern, wenn wir im Herbst immer noch in Schöneberg wären.

DIE WELT: Sie schreiben ein Sachbuch über Berlin

Eugenides: Ich habe das Projekt beiseite gelegt. Während der Arbeit an "Middlesex" habe ich einen zweiten Roman begonnen und etwa hundert Seiten lang daran geschrieben. Jetzt bin ich zu diesem Projekt zurückgekehrt. Aber Berlin wird in meiner Arbeit eine Rolle spielen. Normalerweise gibt es da eine gewisse Zeitverzögerung: "Middlesex" ist ein Roman über Detroit, wo ich seit zwanzig Jahren nicht mehr lebe.

Das Gespräch führte Wieland Freund. "Middlesex" kommt diese Woche auf Deutsch bei Rowohlt heraus. Die Besprechung folgt in der nächsten "Literarischen Welt".

Artikel erschienen am 5. Mai 2003

 

 

 



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