Kultur
Rhein-Main
"Ein
brisantes Lachen"
Werner
Schroeter über seine Darmstädter Nabokov-Inszenierung
|
|
|
|
|
|
Werner
Schroeter inszeniert Nabokovs Bombenleger-Groteske "Walzers
Erfindung" in
Darmstadt. (FR) | |
|
| |
Frankfurter
Rundschau: Wenn man sich an Ihre frühen Filme erinnert wie "Neurasia"
oder "Eika Katappa" aus dem Jahr 1969, habe ich den Eindruck, da steckten immer
schon Opernszenen drin. War der Film ein Umweg zum Theater oder sind Film und
Theater gleichberechtigte künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten für
Sie?
Werner Schroeter: Ich hatte immer eine große Curiosität
für das Theater, auch für das singende Theater, aber ich habe mir überhaupt
nicht vorstellen können, irgendwann Theater zu machen. Und so habe ich zunächst
filmisch experimentiert. Das hat sich geändert ab 1971, als mein Film
Salome im Fernsehen lief, und Ivan Nagel, damals Intendant am Deutschen
Schauspielhaus in Hamburg, und Peter Zadek, der Intendant in Bochum wurde, und
Jean-Pierre Ponelle, der berühmte Opernregisseur, mich anriefen und sagten: Du
musst Theater machen, und da fing ich 1972 damit an, mit Emilia Galotti
in Hamburg. Und das hier in Darmstadt ist jetzt die 58.
Inszenierung.
Der Kritiker Karsten Witte hat 1991 in der "Frankfurter
Rundschau" zu Ihrem Film "Malina" nach Ingeborg Bachmann geschrieben, dass bei
Ihnen "keine Unterscheidung mehr herrscht zwischen erhabenen Gefühlen und dem
Kitsch". Kann man das grundsätzlich über Ihre Arbeit sagen?
In jedem
Fall, zumal ich keine moralischen oder wertenden Kriterien habe. Kitsch ist nur
Kitsch, wenn es wirklich Kitsch ist. Kitsch gehört zu einem Kunstwerk
ausdrücklich dazu, nur Strenge ist oft zu steril. Das ist auch ein sehr
deutsches Phänomen, die Unterscheidung zwischen Hochkultur und Kleinkultur. Als
wir Ende der sechziger Jahre angefangen haben - Werner Herzog, Rosa von
Praunheim oder ich -, das war die Zeit, in der der Begriff Camp geprägt wurde.
Das bedeutete ein Verständnis für die weitreichenden Ausdrucksmöglichkeiten der
so genannten Trivialkultur.
|
|
|
|
|
Werner
Schroeter, geboren 1945 in Thüringen, ist seit Ende der
sechziger Jahre einer der innovativsten und eigenständigsten
deutschen Film-, Schauspiel- und Opernregisseure. Mehrfach
wurden seine Arbeiten ausgezeichnet, den Bundesfilmpreis
erhielt Schroeter unter anderem 1991 für "Malina". Am
Staatstheater Darmstadt hat er jetzt Vladimir Nabokovs
Bombenleger-Groteske "Walzers Erfindung" aus dem Jahr 1938
inszeniert, die noch nie vorher auf einer deutschen Bühne zu
sehen war (Premiere ist am kommenden Samstag, 8. Mai, 19.30
Uhr, weitere Aufführungen am 12., 14. und 21. Mai, Karten-Tel.
06151/ 29 38 38). Mit Werner Schroeter sprach FR-Mitarbeiter
Wilhelm Roth. | |
|
| |
Sind Sie mit
dieser Position heute ein Außenseiter im deutschen Kulturbetrieb? Zum Mainstream
jedenfalls gehören Sie nicht.
In der Kunst gibt es keinen Mainstream,
nur in der Kommerzverwurstung gibt es ihn. Jeder, der versucht, künstlerisch zu
arbeiten, muss sein eigenes Profil haben. Auch andere Theaterregisseure, die ich
schätze, wie Castorf, sind ganz eigene Menschen, außerdem haben Sie bei ihm auch
diese Beziehung zur Trivialkultur.
Das Stück "Walzers Erfindung" von
Vladimir Nabokov ist in deutscher Sprache noch nie aufgeführt worden und auch
sonst sehr selten. Es ist die Geschichte eines Mannes, Salvator Walzer, der
einen Apparat erfunden hat, mit dem man auch auf weiteste Entfernungen Bomben
zünden kann, die furchtbare Zerstörungen anrichten. Durch diese Erfindung wird
er zum Herrscher eines Staates. Was reizt Sie an diesem Text?
Schon
die Vorgeschichte des Stückes ist interessant. Nabokov hat 15 Jahre in Berlin
gelebt wie viele russische Dichter - es gab nach der Oktoberrevolution eine
richtige Emigrantenkolonie in Berlin. Dieses Stück, das er dann 1938 in der
Emigration in Paris geschrieben hat, ist für mich eine Verdauung seiner Zeit in
Deutschland, er hat ja auch noch vier Jahre bei den Nazis verbracht. Das Stück
ist einerseits geschrieben mit Mitteln der russischen Komödie und der Commedia
dell'arte, es geht mit seinem Thema frivol um, das dadurch aber nichts an seiner
Tiefe einbüßt. Es präsentiert die Erfindung der Atombombe, die es noch gar nicht
gab, auch nicht als Gedanke.
Die Groteske beginnt ja bereits mit den
Namen. Walzer ist schon seltsam für einen Bombenleger, und die Generäle des
fiktiven Staates heißen Bumps, Humps, Klumps, Rumps, Stumps und so weiter, und
sie spielen unter diesen Namen auch noch andere Rollen. Das ist ein
Operettenstaat. Wie schafft man es, auf der Bühne hinter dieser scheinbaren
Harmlosigkeit den Ernst, die Bösartigkeit der Geschichte zu
zeigen?
Das schafft man hier dank eines sehr guten Ensembles. Es ist
die Frage, wie jeder Schauspieler das gewichten kann, die Komik nicht zu
verleugnen und nach der Tiefe suchen. Und man muss wahnsinnig lachen, wenn man
das sieht, wenn man nicht dumm ist. Aber es ist ein brisantes Lachen, das Stück
ist von einer unglaublichen Hellsichtigkeit. Und zum Namen Walzer: Die
Literaturwissenschaft hat kürzlich herausgefunden, dass es schon eine Erzählung
Lolita von einem Heinz von Lichberg gab, bevor Nabokov seinen Roman
schrieb, der aber kein Plagiat ist, sondern einschneidende Verschiebungen
aufweist, und in dieser Erzählung kamen zwei Brüder Walzer vor, da hatte Nabokov
das her. Lichberg wurde später Redakteur beim Völkischen
Beobachter.
Es gibt inzwischen so viele Texte, Stücke, Filme über
Hitler und das "Dritte Reich", darunter auch Satiren und Grotesken, zum Beispiel
von Mel Brooks, dass ich doch nochmal fragen will: Kann man Nabokovs Stück so
inszenieren, dass es gefährlich wirkt?
Kann man. Man muss sehr auf
die Punkte achten, aus denen diese Gefährlichkeit herauszuziehen ist. Dass man
die komödiantischen Elemente, die ja, wie bei Shakespeare, nie die
Gefährlichkeit der Situation verdecken, nach vorne ziehen kann, das ist schon
möglich. Das versuchen wir jedenfalls.
Wird es Musik
geben?
Wenig, aber bewusst eingesetzt. Von Johann Strauß, dem
Walzerkönig. Der Walzer, eine schwebende abstrakte Leichtigkeit. Ein bisschen
Gounod, nicht viel. Und Caterina Valente.
Eine ganze Reihe von
Personen in "Walzers Erfindung" changieren zwischen den
Geschlechtern...
. . . wie im wirklichen Leben auch. Ich möchte
dauernd aus der Haut fahren, wie der Autor auch. Es ist ja fürchterlich, jeden
Tag als derselbe Idiot aufzuwachen. Und im Theater ist das möglich, aus dem
Schmetterling wird eine Schnecke. Das ist ja die Freude am Spiel, dass man nicht
immer derselbe ist.
[ document info
]
Frankfurter Rundschau online 2004
Dokument erstellt am 05.05.2004 um
17:16:01 Uhr
Erscheinungsdatum 06.05.2004
=================
Machine Translation:
"an
explosive laughter"
Werner
Schroeter over its Darmstaedter Nabokov production
Frankfurt
round rundschau: If one remembers your early films like "Neurasia" or
"Eika Katappa" from the year 1969, I have the impression, there put always
already opera scenes in it. Was the film a detour to the theatre or is film and
theatre equal artistic expression possibilities for
you?
Werner Schroeter: I had always a large
Curiositaet for the theatre, also for the singing theatre, but I had not been
able myself to present at all to make sometime theatres. And in such a way I
experimented first cinematic. That has itself changed starting from 1971, when
my film Salome ran in the television, and Ivan nail, at that time
director in the German schauspielhaus in Hamburg, and Peter Zadek, the director
in Bochum became, and Jean Pierre Ponelle, which called and said famous opera
director, me: You must make theatres, and there I began 1972 thereby, with
Emilia Galotti in Hamburg. And here in Darmstadt is now the 58.
Production.
The critic Karsten Witte has 1991 in the "Frankfurt
round rundschau" to its film "Malina" after Inge-borrows brook man written that
with you "no more distinction prevails between raised feelings and the Kitsch".
Can one say in principle about your work?
In each case,
particularly since I do not have moral or rating criteria. Kitsch is Kitsch only
if it is really Kitsch. Kitsch belonged to a work of art expressly to it, only
severity is often too sterile. That is also a very German phenomenon, the
distinction between advanced culture and small culture. When we began end of the
sixties - Werner duke, rosa one of Praunheim or I -, which were the time, in
which the term Camp was coined/shaped. The meant an understanding for the
extensive expression possibilities of the trivial culture in such a way
specified.
|
|
|
|
|
Werner
Schroeter, born 1945 in Thuringia, is since end of the sixties
of one the innovativsten and most independent German film -,
play and opera directors. Its work was distinguished several
times, the Federal film award received to Schroeter among
other things 1991 for "Malina". At the national theatre
Darmstadt he produced now Vladimir Nabokovs
bomb-casual-grotesque "Walzers invention" from the year 1938
not to see those before ever on a German stage was (premiere
is on coming Saturday, 8 May, 19,30 o'clock, further
performances on 12., 14 and 21 May, map Karten-Tel. 06151/ 29
38 38). With Werner Schroeter spoke FR coworker William
Roth. | |
|
| |
Are
you with this position today an outsider in the German culture enterprise? To
the Mainstream you do not belong anyhow.
In the art there is
no Mainstream, only in the Kommerzverwurstung gives it it. Everyone, which
tries, to work artistically must be own profile to have. Also different theatre
directors, whom I estimate, like Castorf, are completely own humans, in addition
you have this relationship with the trivial culture with it
also.
The piece of "Walzers invention" of Vladimir Nabokov was
not ever specified in German language and also otherwise very rarely. It is the
history of a man, Salvator Walzer, which invented an apparatus, with which one
also on furthest distances bombs ignite can, which arrange terrible destruction.
By this invention it becomes the ruler of a state. What provokes you at this
text?
The prehistory of the piece is interesting already.
Nabokov lived 15 years in Berlin like many Russian poets - there was a correct
emigrant colony in Berlin after the October Revolution. This piece, which it
wrote then to 1938 in the emigration in Paris, is for me a digesting of its time
in Germany, it also still four years with the Nazis spent. The piece is on the
one hand written with means of the Russian comedy and the COMM dia. dell'arte,
it deals with its topic frivol, which loses by it however nothing at its depth.
It presents the invention of the atom bomb, which did not give it yet at all,
also not as thought.
The grotesque one begins already with the
names. Walzer is already strangely bomb casual for one, and the generals of the
fictitious state are called Bumps, Humps, Klumps, Rumps, Stumps and so on, and
they play different roles under this names also still. That is a Operettenstaat.
How does one create it to show on the stage behind these apparent Harmlosigkeit
Ernst, the maliciousness of history?
One creates that here
owing to a very good ensemble. It is the question, how each actor can weights,
which do not look for Komik to deny and for the depth. And one must laugh mad,
if one sees, if one is not stupid. But it is an explosive laughter, the piece is
from an unbelievable Hellsichtigkeit. And to the name Walzer: The literature
science found out recently the fact that there was already a
narration Lolita of a Heinz von Lichberg, before Nabokov wrote its
novel, which is however no plagiarism, but exhibits drastic shifts, and in this
narration seemed two brothers to Walzer, there got from Nabokov that. Lichberg
became a late editor with the Voelki observer.
There are
in the meantime so many texts, pieces, films over Hitler and the "third realm",
among them also satires and grotesque ones, for example of Mel Brooks that I
want to nevertheless again ask: Can one produce Nabokovs piece in such a way
that it works dangerously?
One can. One must pay attention
much to the points, out of which this danger is to be pulled. That one can draw
the komoediantischen elements, which cover, as with Shakespeare, never the
danger of the situation forward, that is already possible. We try
anyhow.
Will it give music?
Little, but
consciously assigned. Of Johann bunch, the Walzerkoenig. The Walzer, a floating
abstract ease. A little Gounod, not much. And Caterina
Valente.
A whole set of persons in "Walzers invention" flare
between the sexes...
. . . as also in the real life. I would like to
drive continuously from the skin, like the author also. It is dreadful to wake
up each day as the same idiot. And in the theatre that is possible, from the
butterfly becomes a snail. That is the joy at the play that one is not always
the same.