Vladimir Nabokov

NABOKV-L post 0009778, Sun, 9 May 2004 18:32:04 -0700

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Fw: Liwadija is a Cuban smuggler __ Vladimir Nabokov immerhin ...
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EDNOTE. Those with good German may be able to clarify the Nabokov theme.
----- Original Message -----
From: Sandy P. Klein
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/belletristik/?cnt=433559



Schmugglerleben

José Manuel Prieto kennt sich aus mit Schmetterlingen und Frauen

VON JĂ–RG PLATH



Schmuggler dürften in der Regel nicht zu jenen Menschen zählen, die das Hohelied unzugänglicher Welten oder gar der Metaphysik singen. Natürlich kennen sie Grenzen, sie überschreiten sie ja aus beruflichen Gründen oft genug. Aber eben deshalb dürften sie unüberwindbare Hindernisse nicht schätzen. Der Erzähler in José Manuel Prietos ziemlich gerissen konstruiertem Roman Liwadija ist ein kubanischer Schmuggler, und eben dieser J. sieht sich vor einige unüberwindbare Grenzen gestellt. In einem der unzugänglichen Gebiete wohnt eine äußerst rare, möglicherweise ausgestorbene Schmetterlingsart, in einem anderen befindet sich eine Frau, die verschwunden ist.

Aus praktischen Gründen waren die Waren, die J. aus dem zerfallenden sowjetischen Imperium schmuggelte, mit der Zeit immer kleiner und wertvoller geworden. Nachtsichtgeräte etwa erwiesen sich als angenehm handliche, leicht zu versteckende! und begehrte Objekte. Unter diesen Gesichtspunkten ist ein äußerst seltener Schmetterling, wie ihn J. für einen reichen Schweden fangen und außer Landes bringen soll, noch zweckmäßiger. Schlechterdings ideal scheint schließlich die schöne Russin W. zu sein, der J. hilft, aus einem Istanbuler Bordell in die Heimat zu fliehen. Denn mit ihr wird aus dem Schmuggler der edle Retter einer schönen Seele.

Allerdings ist das Paar kaum in Jalta eingetroffen, als W. spurlos verschwindet. J. setzt die Reise wie geplant in das Seebad Liwadija fort und erhält dort nacheinander sieben Briefe der Entflohenen, einer schöner und vollkommener als der andere. Hingerissen lässt er sich von einem Freund die Briefwechsel der Weltliteratur schicken und sinniert, was er W. aus seinem Leben schreiben könnte, um sie doch noch zu gewinnen.


Im Takt der Briefe

Vom Materiellen zum Immateriellen, vom Profit zum Genuss, von der Konzentration auf den Augenblick zur Vertiefung in die (Literatur-) Geschichte, von der vita activa zur vita contemplativa - das sind nur die wichtigsten Gegensätze, zwischen denen José Manuel Prieto seinen Roman oszillieren lässt. Der Geschichte schlagen die sieben Briefe W.s den Takt: In ebenso vielen Kapiteln lösen sie in J. Erinnerungen an sein Leben und an die Ereignisse in Istanbul aus, die sich mit den Erlebnissen in Liwadija vermischen.

Nach einigen umständlichen Wendungen zu Beginn gleitet das von Susanne Lange übersetzte Parlando flüssig dahin. Aus Liwadija bietet der Roman schöne Miniaturen über die postsowjetische Depression, in der sich gemeine Bürger und die autoritäre Herbergsmutter der allgemeinen Unsicherheit und Angst mit Denunziationen, Bespitzelungen und ! einem Diebstahl erwehren. In J.s Rückschau auf sein Schmugglerleben wechselt Kolportage mit Sozialreportage, Satire mit Kriminalroman. Ausgiebig nennt Prieto, der 1962 in Havanna geboren wurde, in der UdSSR studierte und danach dort 12 Jahre lang die verschiedensten Berufe ausübte, die Quellen seiner Inspiration. Auffallend selten sind darunter einige Autoren vertreten, die er ins Spanische übertragen hat: Anna Achmatowa etwa, Vladimir Majakowski, Marina Zwetajewa und Joseph Brodsky. Vladimir Nabokov immerhin, der Schmetterlingsjäger, spielt eine Rolle, ebenso wie die Krimiautoren Chandler und Chase sowie Ovid und Flaubert. Auch Mozart darf nicht fehlen, orientiert sich doch J.s Entführung der Russin W. aus dem Nachtklub namens Saray bis hin zum armenischen Aufpasser an der Entführung aus dem Serail.


Jasius, wo bist du?

Doch Prieto belässt es fast immer bei Duftmarken. Er nennt Ross und Reiter, ohne sich lange mit ihnen aufzuhalten. Auch eine Zitatcollage der schönsten Briefstellen aus der Weltliteratur versagt er sich dankenswerterweise. Das postmodern vergnügte Spiel mit Verweisen rollt mit großer Diskretion und dem Anspruch auf totale Geltung ab: Selbst Liwadija erweist sich als Knotenpunkt des Grenzthemas. In dem Seebad steht ein Palast von Nikolaus II., der nicht nur der letzte Zar war, sondern auch den von J. gesuchten und womöglich ausgestorbenen Schmetterling Jasius als Letzter gefangen haben soll. In seinem Palast beschlossen die Alliierten 1945 die neuen Grenzen Europas - Jalta tagte in Liwadija.

Auf solche Weise webt sich der Mann, der noch nicht geliebt, aber schon verlassen worden ist, in seinem grenzenslosen Schmerz und in seiner Hoffnung, ! die überall an Grenzen stößt, einen Kokon aus Kultur. Anfangs ist dieser noch dünn und die Raupe darin fett. Entsprechend prall kommt das Schmugglerleben daher: Taufen mit anschließendem Zungenreden, doppelte Sinnneswahrnehmungen und gleichzeitige Anwesenheiten eines Menschen an zwei Orten. Es sind allesamt Grenzüberschreitungen der sorgloseren, der Schmugglerart. Mit zunehmender Seitenzahl wird das Geschehen luftiger, was aus Gründen der Metaphorik höchst einsichtig, aber längst nicht so befriedigend ist. Dass die sieben Briefe der Entflohenen nicht einmal auszugsweise abgedruckt werden, rächt sich bald. Denn sie bleibt ebenso wie der reiche Schwede doch etwas blass. Das Thema hat seine Tücken.

Ungeachtet dieser kleinen Schwächen ist Liwadija ein beeindruckend geschlossener Roman, zumal er sich trotz des zwischen Bordell und Mozart schwebenden Plots wohltuend von der auch sexuellen Drastik vieler kubanischer Romane abhebt. An seinem Ende krabbelt der Schmette! rling, das antike Sinnbild der Seele, aus dem Kokon und erhebt sich st rahlend in die Lüfte: J. beginnt seinen ersten Brief an W. Der Leser bekommt, bevor er das Buch zuklappt, nur die Anrede zu sehen, einen Zipfelchen aus jenem unzugänglichen Gebiet, in das sich J. aufmacht. Auf Landkarten trägt es seit altersher den Namen Literatur.

José Manuel Prieto: "Liwadija". Roman. Aus dem Spanischen von Susanne Lange. Suhrkamp Verlag; Frankfurt am Main 2004, 350 Seiten, 22,90 Euro.

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Machine Translation:




Smuggler life

José Manuel Prieto knows itself out with butterflies and women

OF JOERG PLATH



Smugglers might not rank usually among that humans, whom the high song of inaccessible worlds or the Metaphysik sings. Naturally they know borders, it exceed it for vocational reasons often enough. But evenly therefore they might not estimate insurmountable obstacles. The storyteller in José Manuel Prietos quite torn designed novel Liwadija is a Cuban smuggler, and evenly this J. sees itself posed before some insurmountable borders. In one of the inaccessible areas an extremely rare, possibly become extinct kind of butterfly lives, in another is a woman, who disappeared.

From practical reasons the goods, which J. from the Soviet Imperium disintegrating smuggled, had become more valuable with the time ever smaller and. Night-vision devices about proved as pleasantly handy, and desired objects which can be hidden easily. Under these criteria an extremely rare butterfly, how J. is to catc! h it for rich Sweden and bring abroad, is still more appropriate. Finally the beautiful Russian W. seems virtually ideal to be, the J. helps to flee from a Istanbuler brothel into the homeland. Because with their the noble rescuer of a beautiful soul becomes from the smuggler.

However the pair hardly arrived in Jalta, when W. disappears without trace. J. continues the journey as planned into the seaside resort Liwadija and keeps there successively seven letters of the escaping, more beautiful and more perfect than the other one. It has exchanges of letters of the world literature hingerissen sent by a friend and sinniert themselves, which it could write W. from its life, in order to nevertheless still win it.


In the clock of the letters

From the material one to the immaterial one, from the profit to the benefit, of which concentration on the instant for recess into (literature -) the history, of which vita activa to vita contemplativa - that only the most important contrasts are, between which José Manuel Prieto lets its novel reciprocate. History strike the seven letters W.s the clock: In just as many chapters they release in J. Erinnerungen of its life and of the events in Istanbul, which mix themselves with the experiences in Liwadija.

After some pedantic idioms at the beginning the translated Parlando long of Susanne slides liquid there. From Liwadija the novel offers beautiful miniatures over the post office-Soviet depression, in which common citizens and the authoritarian Herbergsmutter of the general uncertainty and fear with denunziationen, spying on and ! a theft erwehren themselves. In J.s review on its smuggler life changes Kolportage with social report, satire with detective story. Extensively Prieto, which was born 1962 in Havanna, in the USSR studied and afterwards there 12 years long the most diverse occupations exercised, calls the sources of its inspiration. Some authors are represented remarkably rarely under it whom it transferred into the Spanish: Anna Achmatowa about, Vladimir Majakowski, Marina Zwetajewa and Joseph Brodsky. Vladimir Nabokov nevertheless, the butterfly hunter, plays a role, just as the crime film authors Chandler and Chase as well as Ovid and Flaubert. Also Mozart may not be missing, orients themselves nevertheless to J.s entfuehrung of the Russian W. from the nightclub named Saray up to the Armenian Aufpasser at the entfuehrung from the Serail.


Jasius, where are you?

But Prieto nearly always leaves it with smell marks. It calls Ross and riders, without be for a long time with them. Also a Zitatcollage of the most beautiful letter places from the world literature it malfunctions thank-worth-proves. The post office-modern diverted play with references unreels with large Diskretion and the requirement on total validity: Even Liwadija proves as junction of the border topic. In the seaside resort a palace of Nikolaus II., which was not only the last Zar, is located but also the butterfly Jasius become extinct looked for by J. and as the latter imprisoned to possibly have is. In its palace the allied ones 1945 decided the new borders of Europe - Jalta met in Liwadija.

In such way the man, who was not loved yet, but was already left, in its borderless pain and in its hope, which pushes everywhere at borde! rs, weaves himself a kokon from culture. At first this is still thin and the crawler-type vehicle in it fat. Accordingly stout the smuggler life comes along: Baptism with following tongue speeches, double Sinnneswahrnehmungen and simultaneous messuagenesses of humans at two places. There is all together trespasses beyond the border of the more carefree, the kind of smuggler. With increasing page number the happening becomes airier, which for reasons of the Metaphorik most obvious, but long not like that is satisfying. The fact that the seven letters of the escaping are printed not even in part raecht itself soon. Because it remains nevertheless somewhat pale just like the rich Swede. The topic has its Tuecken.

Regardless of these small weaknesses Liwadija a closed novel is impressing, particularly since he stands out despite the Plots floating between brothel and Mozart doing good against the also sexual Drastik of many Cuban novels. At its end the butt! erfly, the symbol of the soul, crawls to antiquity from the kokon and rises radiating into air: J. begins its first letter at W. The reader gets, before he pushes the book to to see only the address a Zipfelchen from that inaccessible area, into which J. opens itself. On maps it carries literature since the names.

José Manuel Prieto: "Liwadija". Novel. From the Spanish of Susanne are enough. Suhrkamp publishing house; Frankfurt/Main 2004, 350 sides, 22.90 euro.













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